Radioastronomie des Mondes mit einfachen Mitteln

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Autor:in

Dr. Klaus Henning

Veröffentlichungsdatum

2. Juli 2025

Beobachtungen des Erdmondes mit einer umgebauten Satellitenschüssel

Der Mond zählt zu den auffälligsten Objekten am Nachthimmel – nicht nur im sichtbaren Licht, sondern auch im Radiobereich. Diese Eigenschaft macht ihn zu einem lohnenden Zielobjekt für die Amateur-Radioastronomie. Denn schon mit einfachen Mitteln lassen sich seine Strahlungseigenschaften messen. Eine TV-Satellitenschüssel von einem Meter Durchmesser genügt, um eine Reihe interessanter Fragestellungen experimentell zu bearbeiten. Dazu zählen die Messung der Oberflächentemperatur, die Untersuchung der thermischen Eigenschaften des Regoliths und nicht zuletzt der Einfluss der Erdatmosphäre auf Radiowellen.

Die thermische Strahlung des Mondes ist keine Reflexion des Sonnenlichts, wie sie im optischen Bereich beobachtet wird, sondern sogenannte Schwarzkörperstrahlung. Sie entsteht durch die Eigenwärme des Mondbodens, der sich tagsüber unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung erwärmt und nachts wieder abkühlt. Diese Wärmestrahlung liegt im Infrarot- und Radiobereich. Ihre Intensität und das Strahlungsmaximum hängen direkt von der Temperatur der Oberfläche ab. Das Maximum liegt bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im mittleren Infrarot, doch auch bei Frequenzen im Bereich von 12 bis 22 Gigahertz bleibt sie noch ausreichend stark, um mit Amateurmitteln detektiert zu werden.

Für die Beobachtungen wurde eine Satellitenschüssel mit einem Durchmesser von einem Meter verwendet. Als Montierung diente eine parallaktische Celestron-AVX, die eine exakte Nachführung entlang der scheinbaren Himmelsbahn des Mondes ermöglicht. Die eigentlichen Empfangseinheiten – sogenannte LNBs – stammten aus der professionellen Satellitentechnik. Im Ku-Band (12,25 bis 12,75 GHz) kam ein NORSAT 1000XB zum Einsatz, im Ka-Band (21,2 bis 22,2 GHz) ein NORSAT 9000LDF. Beide wurden über eine Bias-T-Weiche mit Strom versorgt.

Das folgende Bild wurde mit unserem neuen ASTW-Receiver, einem Breitband-Detektor auf Basis des AD8362-Detektors, eines ADS1118-ADCs und eines Arduinos, aufgenommen. In vorherigen Artikeln haben wir eine Bauanleitung für diesen Receiver veröffentlicht. Das Signal des Erdmondes wurde im 22-GHz-Band aufgenommen. Nicht nur das Signal des Mondes ist deutlich zu erkennen. Es ist auch erkennbar, dass der Himmel in Richtung Westen “heller” wird, also mehr Hintergrundrauschen aufweist - ein Hinweis darauf, dass bei 22 GHz atmosphärische Faktoren zunehmend einen Einfluss auf die Beobachtung haben.

Aufnahme des Mondes mit 1-m-Sat-Schüssel bei 22 GHz

Zur Erstellung dieses Bildes wurden 12 Scans oberhalb, entlang und unterhalb der scheinbaren Mondbahn durchgeführt. Die aufgezeichneten Daten wurden in eine Excel-Tabelle exportiert, in einer einzigen Tabelle zusammengefasst und mithilfe der Funktion „Bedingte Formatierung“ visualisiert, wodurch die Rohsignalwerte in ein erkennbares Bild umgewandelt wurden. Nach der Erstellung des Bildes wurden die Übergänge zwischen den einzelnen „Pixeln“ mit einem Gaußschen Weichzeichnungsfilter geglättet, um die visuelle Klarheit zu verbessern.

Scankurven des Mondes bei 22 GHz

In einem zweiten Schritt wollten wir mehr über die Eigenschaften des Mondes herausfinden. Um eine bessere Vergleichbarkeit von Daten zu erlangen, benutzten wir als Empfänger nun einen SDRPlay RSP1B und zeichneten die Signale mit Hilfe der Software SDR-UNO sowie einer Schnittstelle Namens “SDRUnoPluginUDS” in Radio-SkyPipe auf. Die Bandbreite lag bei ca. 200 Khz. Die Transitkurven beim SDR Plaz sind wegen der geringeren Bandbreite viel verrauschter als beim AD8362, doch die Vergleichbarkeit zwischen mehreren Messungen ist aus unterschiedlichen Gründen bei dieser Methode deutlich einfacher.

Vor Beginn der eigentlichen Beobachtung wurde das System kalibriert. Dazu diente die sogenannte Heiß-Kalt-Methode, bei der das Radioteleskop abwechselnd auf den kalten Himmel (etwa 2,7 Kelvin) und auf ein Objekt bekannter Temperatur, in diesem Fall eine Gebäudewand (ca. 273 Kelvin), gerichtet wurde. Aus dem Verhältnis beider Messwerte lässt sich die sogenannte Systemtemperatur bestimmen – ein Maß für das Gesamtrauschen des Empfangssystems. Für das System bei 12 GHz ergab sich ein Wert von etwa 147 Kelvin, beim System für 22 GHz etwa 185 Kelvin.

Die eigentlichen Beobachtungen fanden an mehreren Tagen im September 2024 auf dem Gelände der Archenhold-Sternwarte in Berlin statt. Neben dem Vollmond am 17. September wurden auch an den Folgetagen bis zum 21. September Messungen durchgeführt. Besonders geeignet war der 19. September, da an diesem Tag sowohl im Ku- als auch im Ka-Band Transitbeobachtungen durchgeführt werden konnten. Hierbei wird die Antenne fest auf einen Punkt ausgerichtet, während der Mond durch die Antennenkeule wandert. Aus dem charakteristischen Signalanstieg lassen sich sowohl die Öffnungskeule der Antenne als auch die Temperatur der Strahlungsquelle ermitteln.

Transit des Mondes bei 12 GHz am 19.09.2024

Im Ku-Band betrug die Breite der Antennenkeule etwa 1,72 Grad. Der gemessene Signalanstieg beim Transit des Mondes am 19.9.2024 betrug 0,45 Dezibel. Unter Berücksichtigung der Systemtemperatur und des Anteils der Antennenkeule, den der Mond tatsächlich abdeckt, ergibt sich daraus eine effektive Strahlungstemperatur des Mondes von rund 193 Kelvin, entsprechend etwa -80 Grad Celsius. Im Ka-Band war die Antennenkeule mit 1,25 Grad kleiner, der Signalanstieg mit 0,55 Dezibel größer. Dennoch ergab sich aus den Berechnungen eine niedrigere Mondtemperatur von etwa 153 Kelvin oder rund -120 Grad Celsius.

Transit des Mondes bei 22 GHz am 19.09.2024

Diese Differenz lässt sich eventuell durch atmosphärische Dämpfung erklären. Insbesondere bei 22 Gigahertz spielt der Wasserdampf in der Erdatmosphäre eine erhebliche Rolle. In diesem Bereich existiert eine starke Absorptionslinie des Wassermoleküls, durch die ein Teil der vom Mond kommenden Strahlung abgeschwächt wird. Da die Messung im Ka-Band bei niedrigerer Elevation stattfand, also der Strahl durch eine längere Luftsäule hindurchtreten musste, ist auch eine höhere Dämpfung zu erwarten. Die Differenz von etwa 40 Kelvin entspricht in etwa einer Dämpfung von 0,13 Dezibel, was gut mit den in der Literatur angegebenen Werten für atmosphärische Dämpfung bei dieser Frequenz übereinstimmt.

Ein bemerkenswerter Effekt zeigte sich beim Vergleich der Messergebnisse über mehrere Tage hinweg. Während der höchste Signalanstieg im Ka-Band nicht am Tag des Vollmonds, sondern zwei Tage später gemessen wurde, fiel die Strahlung danach nur langsam wieder ab. Diese zeitliche Verzögerung lässt sich mit der thermischen Trägheit des Regoliths erklären. Die Mondoberfläche gibt die aufgenommene Wärme nicht sofort wieder ab. Je tiefer die durch Radiowellen erfasste Schicht liegt, desto langsamer reagiert sie auf Veränderungen der Sonneneinstrahlung. Bei tieferen Frequenzen dringt die Strahlung weiter in den Boden ein, wodurch die gemessene Temperatur weniger stark zwischen Tag und Nacht schwankt.

Mondtransits vom 17.09., 18.09., 20.09. und 21.09.24 bei 22 GHz

Eine Kontrollmessung bei zunehmendem Halbmond im Januar 2025 bestätigte diese Beobachtung. Bei einer vergleichbaren Konfiguration ergab sich eine deutlich niedrigere effektive Mondtemperatur, da zu diesem Zeitpunkt sowohl die Nacht- als auch die Tagseite des Mondes noch nicht ihre Extremtemperaturen erreicht hatten. Auch hier wurde deutlich, wie stark die Kombination aus Mondphase, Frequenz, atmosphärischen Bedingungen und Beobachtungshöhe die Messergebnisse beeinflussen kann.

Der Mond ist also keineswegs ein langweiliges Objekt der Radioastronomie. Er eignet sich hervorragend, um das eigene Radioteleskop zu testen, die Empfindlichkeit und Auflösung zu bestimmen und dabei zugleich grundlegende astronomische Phänomene zu beobachten. Die vorliegende Beobachtungsreihe zeigt, dass sich mit einfacher Technik und etwas Geduld sowohl physikalische als auch atmosphärische Effekte nachvollziehen lassen – und dass der Mond auch für Amateurastronomen immer noch ein spannender Forschungsgegenstand ist.

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